Die Rettung der Welt

Predigt des Herrn Weihbischof Lohmann am Fest Kreuzerhöhung in Haltern am See am 15.09.2024

Liebe Schwestern und Brüder!

Um die Rettung der Welt geht es. So haben wir es im Johannesevangelium gehört. Rettung!

Wie nötig Rettung ist, spüren wir allenthalben: Rettung aus persönlicher Not und Verstrickung, Rettung aus einer tiefen Klima- und Schöpfungskrise – dieses Thema hat die zurückliegende Festwoche bestimmt - , Rettung der Meschen aus einer Spirale der Angst, der Verfolgung, der Vertreibung, des Krieges, der Ungerechtigkeiten, des Flüchtlingsschicksals. Diese Welt braucht Rettung, Halt, Heil, Zuflucht. Und wir sind genauso darauf angewiesen.

Vor Augen gestellt wird uns in dieser Situation, in dieser Wirklichkeit das Halterner Kreuz, es stammt aus der Zeit um 1340. Wie die Legende erzählt, soll es, gegen den Strom schwimmend, in Haltern von den Bürgern unterhalb der Kirche aus der Lippe gefischt und in die Kirche zur Verehrung gebracht worden sein. Die erste Kreuztracht ist um 1726 als Karfreitagsprozession zum Annaberg bezeugt.

Gegen den Strom schwimmend … Was kann uns dieses Bild sagen, für uns heute, die wir als Christen unterwegs sind und uns nicht verstecken in Kirche und Sakristei, sondern – um des Evangeliums willen – uns unter das Kreuz begeben und es verehren als Zeichen des Lebens, des Heils, der Hoffnung.

Von Jesus hören wir in der Lesung: „… er entäußerte sich und wurde wie ein Sklave und den Menschen gleich … er erniedrigte sich und war gehorsam bis zum Tod, bis zum Tod am Kreuz.

Darum hat ihn Gott erhöht …, damit … jeder Mund bekennt: Jesus Christus ist der Herr‘ – zur Ehre Gottes des Vaters.“

Das ist nicht einfach nur Kreuzestheologie, das ist Auftrag für uns, die wir ihm mit dem Kreuz nachzufolgen bereit sind, wie das heute bei der Kreuztracht deutlich wird. Und das wird nicht einfach im Mainstream dieser Welt gehen. Dafür braucht es die Kraft, gegen den Strom zu schwimmen.

Wenn wir das Kreuz, dieses Zeichen des Widerspruchs, in den Blickpunkt rücken, dann erfordert das unseren Mut, wenn wir als Christen die Themen im Hier und Heute besetzen. Als Jesus seinen Weg mit dem Kreuz ging, sind viele – auch seiner engsten Begleiter – abgehauen und haben ihn im Stich gelassen, andere haben gegafft und waren neugierig, was mit diesem „König der Juden“ geschieht.

Unsere Frage vom Menschen und seiner Würde ist sehr ernst in diesen Tagen, wo Menschen in sinnlosen Kriegen abgeschlachtet werden, wo eine unwürdige Flüchtlingsdebatte geführt wird als wären alle auf der Flucht Schmarotzer, die uns etwas wegnehmen. Wie sähe es denn in unseren Pflegeheimen, Krankenhäusern aus, wenn alle, die einen Migrationshintergrund haben, nicht da wären. Gar nichts würde funktionieren, das gehört auch zur Wahrheit.

Einfach aus politischem Kalkül dieses Thema zu vereinfachen und Schuldige an den Pranger zu stellen, geht nicht, es sei denn, wir schauen am Kreuz vorbei oder wollen es in die Ecke stellen.

Ich weiß, dass Sie sich hier in der Stadt und der Pfarrgemeinde diesem Thema hoch verantwortlich stellen und danke Ihnen für dieses wichtige Zeugnis.

Wir Christen schauen nicht am Kreuz vorbei, nicht am eigenen und nicht am Kreuz unserer Mitgeschöpfe, unserer Mitbewohner und derer, die von anderswo zu uns kommen.

Wir wissen uns der gesamten Schöpfung verbunden und wollen diese achten und respektieren, sie erhalten und von ihr Schaden abwenden.

Das sehen wir als unseren Auftrag an. Deswegen wollen wir uns engagieren für eine lebenswerte Welt, die solidarisch miteinander umgeht, wo Extremismus angeprangert und nicht geduldet wird, wo Menschen frei miteinander leben können respektvoll, auf Augenhöhe und auf Liebe und Einigkeit gegründet.

FAIRhandeln – nachhaltig leben, haben Sie die Ökumensiche Glaubenswoche überschrieben. Papst Franziskus mahnt in seiner Enzyklika „Laudato si“ in Anlehnung eines Wortes aus der Erd-Charta: „Wie nie zuvor in der Geschichte der Menschheit fordert uns unser gemeinsames Schicksal dazu auf, einen neuen Anfang zu wagen (…). Lasst uns unsere Zeit so gestalten, dass man sich an sie erinnern wird als eine Zeit, in der eine neue Ehrfurcht vor dem Leben erwachte, als eine Zeit, in der nachhaltige Entwicklung entschlossen au den Weg gebracht wurde, als eine Zeit, in der das Streben nach Gerechtigkeit und Frieden neuen Auftrieb bekam, und als eine Zeit der freudigen Feier des Lebens.“

Liebe Schwestern und Brüder,

wollen wir das nicht annehmen und unsere Kultur des Miteinanders und Füreinanders so bereichern, dass künftige Generationen sagen: Die haben es kapiert, die haben nicht kapituliert, sondern die sind angefangen und aufgestanden und haben – unter dem Kreuz Christi – für das Leben gekämpft, gearbeitet, gebetet.

Weil Gott die Welt so sehr liebt und seinen Sohn hingegeben hat, bekommt für uns das Wort „Hingabe“ eine ganz neue Bedeutung. Überall da, wo Menschen sich hier und jetzt engagieren für eine bessere Welt, für die Bewahrung der Schöpfung, für die Würde jedes Menschen, jedes Geschöpfes, für Einheit und Frieden, wo die Botschaft des Kreuzes verstanden und gelebt wird, wo wir uns den Kreuzen des Hier und Jetzt stellen, da erfahren wir etwas von der Rettung der Welt, wie wir es im Evangelium vernommen haben.

Dass das in gleicher Weise für die Wirklichkeit kirchlichen Lebens gilt, muss uns allen klar sein. Gute Worte allein reichen nicht, die Kirche selbst muss dabei vorangehen, Zeichen setzen, nach vorne gehen, Verstrickungen (auch eigene) lösen und eine neue Glaubwürdigkeit verkörpern.

Der synodale Weg in Deutschland und die Weltsynode in Rom können dazu nötige und wichtige Impulse geben, noch wichtiger ist das Wirken vor Ort, wie hier in Haltern am See. Gehen Sie als Christen und Christinnen den eingeschlagenen Weg weiter, gehen Sie auf die Menschen zu und seien Sie eine einladende Kirche. Wir müssen aus den alten „Blasen“ heraus, wo wir uns nur um uns selbst drehen, wir werden gesandt zu den Menschen im Hier und Jetzt, mit den Fragen und Problemen von 2024. Das ewige Zurückschauen, wie es einmal war, bringt es nicht und bringt uns nichts. So schön das Lied „Yesterday …“ auch sein mag, wir dürfen es in der Kirche nicht weiter singen …

Wie gesagt, es geht um die Rettung der Welt im Blick auf das Kreuz, das uns als Mahnzeichen Leben, Rettung und Heil verheißt, und zwar der gesamten Schöpfung.

So möchte ich enden mit einem Gebet für unsere Erde aus der schon zitierten Umwelt- und Sozialenzyklika „Laudato si“: S. 169+171. Amen.

Bildrechte: @Copyright bischöfl. Pressestelle/Achim Pohl

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